22. August 2025
Urteilsbesprechungen

Coaching-Vertrag nichtig: BGH Urteil eröffnet Chance auf Rückforderung

Lesedauer:4 min

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1.

Worum ging es?

Mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Vertrag über ein neunmonatiges „Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ für nichtig erklärt. Grund: Dem Anbieter fehlte die erforderliche Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG).

Zwei Teilnehmer hatte für ein Mentoring-Programm knapp 23.800 € gezahlt. Das Angebot bestand im Wesentlichen aus aufgezeichneten Lehrvideos, Online-Meetings und Workshops. Nachdem der zweite Teilnehmer seine Ansprüche an den anderen Teilnehmer abgetreten hatte, erklärte dieser die fristlose Kündigung und erklärte zugleich die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung. Er verlangte die vollständige Rückzahlung der bis dahin gezahlten Vergütung.

Der BGH gab ihm Recht: Der Vertrag sei bereits gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil es sich um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG gehandelt habe, für den eine behördliche Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG zwingend erforderlich ist. Eine solche Zulassung besaß der Anbieter nicht. Das beklagte Unternehmen wurde folglich zur Rückzahlung der geleisteten Vergütung verurteilt.

Das Urteil ist wegweisend – nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Unternehmer, die Online-Coachingverträge abgeschlossen haben. Für Anbieter derartiger Leistungen gilt nunmehr zu überprüfen, ob eine Zulassung nach § 12 FernUSG erforderlich ist.


2.

Die Kernaussagen des BGH

  • Asynchroner Online-Unterricht = räumliche Trennung: Überwiegen gemäß der vertraglichen Vereinbarung  asynchrone Inhalte (z. B. Lehrvideos oder aufgezeichnete Meetings), liegt eine überwiegende „räumliche Trennung“ i. S. d. § 1 Nr. 1 FernUSG vor.

  • Überwachung des Lernerfolgs genügt bereits bei einfachen Kontrollen: Schon die Möglichkeit, Fragen im Online-Meeting zu stellen oder Hausaufgaben einzureichen, erfüllt die Anforderung einer Lernerfolgsüberwachung i. S. d. § 1 Nr. 2 FernUSG .

  • FernUSG gilt auch für Unternehmer: Der Schutzbereich ist nicht auf Verbraucher als Teilnehmende beschränkt. Auch Unternehmerwerden durch das FernUSG geschützt.

  • Folge: Vertragsnichtigkeit (§ 7 Abs. 1 FernUSG): Ohne Zulassung nach § 12 FernUSG ist der gesamte Vertrag  unwirksam. Bereits gezahlte Beträge können i. d. R. zurückgefordert werden.


 

3.

Was bedeutet das für die Praxis?

  1. Für Teilnehmer von Coaching-Programmen: Wer hohe Summen für Online-Mentoring oder Coaching bezahlt hat, könnte ein Recht auf Rückzahlung haben – selbst wenn die Leistungen bereits (teilweise) genutzt wurden.

  2. Für Anbieter von Coaching- und Trainingsprogrammen: Wer Programme anbietet, bei denen die asynchronen (zeitversetzten) Unterrichtsanteile (bspw. aufgezeichnete Meetings oder Lektionen) überwiegen, braucht unter Umständen eine behördliche Zulassung nach dem FernUSG. Fehlt diese, droht die Nichtigkeit sämtlicher Verträge.

  3. Für Unternehmer als Kunden: Auch Geschäftskunden sind geschützt. Anbieter können nicht mehr erfolgreich argumentieren, dass Unternehmer nicht in den Schutzbereich des FernUSG fallen.


4.

Es bleiben offene Fragen

Der BGH ließ ausdrücklich offen, ob bei Online-Unterricht immer von einer „räumlichen Trennung“ i. S. d. § 1 Nr. 1 FernUSG und damit von einer Zulassungspflicht auszugehen sei, selbst wenn überwiegend eine synchrone Kommunikation wie bei einer Präsenzveranstaltung vertraglich vereinbart ist. Die Vorinstanz scheint diese Ansicht jedenfalls zu vertreten. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist hier bisher uneinheitlich.

Auch die Frage, in welchem Umfang erbrachte Leistungen bei der Rückabwicklung anzurechnen sind, wird künftige Verfahren beschäftigen.


5.

Fazit

Der BGH stärkt den Schutz von Nutzern von Online-Unterrichtsangeboten erheblich, sofern asynchrone Unterrichtsanteile überwiegen und der Anbieter für den gebuchten Fernlehrgang keine Zulassung gemäß § 12 FernUSG besitzt. Anbieter müssen ihre Programme dringend rechtlich überprüfen lassen, um nicht dem Risiko der Nichtigkeit der Verträge ausgesetzt zu sein. Teilnehmer wiederum haben nun eine starke Handhabe gegen die Online-Coachingindustrie, um gezahlte Vergütungen zurückzufordern.

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